„Die organisierte Umweltkriminalität nimmt in Brasilien rapide zu“
São Paulo, 28.10.2025 – Olivia Ainbinder koordiniert das Programm für sozio-ökologische Integrität von Transparency Brasilien. Wir haben mit ihr darüber gesprochen, welche Schwerpunkte das Chapter derzeit setzt, mit welchen Herausforderungen es im Klima- und Umweltbereich zu kämpfen hat und was es im Vorfeld der Weltklimakonferenz erreichen konnte, die im November in Brasilien stattfinden wird.
Dieser Beitrag ist ursprünglich im September 2025 in der 106. Ausgabe des Scheinwerfer-Magazins zum Themenschwerpunkt Umweltkriminalität erschienen.
Wie arbeitet Ihre Organisation und welche Themen stellen besondere Schwerpunkte dar?
Transparency Brasilien setzt sich an mehreren Fronten für die Verbesserung von Gesetzen, Richtlinien und Praktiken der Transparenz, Integrität und Governance ein. Methodisch setzen wir auf sehr viele unterschiedliche Instrumente: Wir arbeiten mit Aufsichtsbehörden, öffentlichen Institutionen und Rechnungshöfen zusammen, engagieren uns in strategischen Rechtsstreitigkeiten und machen gesetzgeberische Interessenvertretung. Außerdem betreiben wir capacity building für Aktivist:innen, Journalist:innen, Wirtschaftsprüfer: innen und Beamt:innen und fördern Netzwerke, die Rechenschaftspflichten und Integrität verbessern.
Ein besonderer Fokus ist der Umwelt- und Klimabereich. Hier gibt es zwei inhaltliche Hauptstränge: sozio-ökologische Zusammenhänge sowie öffentliche Institutionen. Wir verbinden dabei technisches Fachwissen mit aktivem bürgerschaftlichem Engagement.
Wir erstellen auch den Index für öffentliche Transparenz und Regierungsführung (ITGP) — ein regelmäßig erscheinendes Ranking der Bundesstaaten. So ist es möglich, die Entwicklung der bewerteten Institutionen, etwa die regionalen Parlamente und Regierungen, zu vergleichen und kontinuierliche Verbesserungen der öffentlichen Transparenz anzuregen. Der ITGP umfasst mittlerweile auch ein Klimamodul zur Bewertung lokaler Anpassungsmaßnahmen.
Sie arbeiten außerdem auch im Amazonasgebiet...
Genau, wir arbeiten im Amazonas mit dem Konzept der Environmental Democracy und fördern die Rechte auf Zugang zu Informationen, Teilhabe und Gerechtigkeit lokaler Gemeinschaften sowie den Schutz von Umweltaktivist:innen. Wir setzen uns in diesem Zusammenhang für die Umsetzung des Escazú-Abkommens ein — eine zwischenstaatliche Vereinbarung in Lateinamerika und der Karibik, die eine Reihe wichtiger Rechte gewährleistet.
Wobei konnten Sie jüngst einen Erfolg verbuchen?
Im Vorfeld der Weltklimakonferenz COP30 hat unsere Partnerschaft mit dem brasilianischen Bundesrechnungshof zu wichtigen Integritätsmaßnahmen geführt. So gibt es ein COP30-Transparenzportal, das die mit der Veranstaltung verbundenen Bundesausgaben offenlegt, eine Plattform zur Offenlegung der Agenden wichtiger Vertreter der COP30 und einen Vorschlag zum Umgang mit Interessenkonflikten für die COP30-Präsidentschaft und die brasilianische Delegation. Transparency Brasilien ist, ebenso wie Transparency Deutschland, Teil des globalen Programms für Integrität in der Klimapolitik von Transparency International.
Was ist Ihr Hauptarbeitsbereich im Rahmen dieses Programms?
Im Bereich Klima und Umwelt hat insbesondere unsere Zusammenarbeit mit den Behörden im Rahmen der nationalen Strategie Brasiliens zur Bekämpfung von Korruption und Geldwäsche (ENCCLA) sowie in Kooperation mit den brasilianischen Rechnungshöfen erhebliche positive Auswirkungen gehabt. Das hat dazu beigetragen, Umweltverbrechen und in jüngerer Zeit auch Betrugsrisiken im Emissionshandel besser zu bekämpfen. Außerdem haben wir die Rechnungshöfe im Amazonasgebiet dazu bewegt, die Transparenz bei Walddaten zu verbessern.
Unser Chapter engagiert sich auch im Rahmen des Rates für Transparenz, Integrität und Korruptionsbekämpfung der brasilianischen Regierung, wo wir die Arbeitsgruppe zum Klimawandel leiten und Einfluss etwa auf die Schaffung der erwähnten Portale und Plattformen rund um die COP30 nehmen.
Anfang dieses Jahres haben wir außerdem in Zusammenarbeit mit dem internationalen Sekretariat von Transparency der brasilianischen COP30-Präsidentschaft und dem Sekretariat zum UN-Übereinkommen über Klimaänderungen (UNFCCC) Empfehlungen vorgelegt, um unzulässige Einflussnahme und Lobbyarbeit in den internationalen Klimaverhandlungen zu bekämpfen. Dieser offene Brief wurde von 260 Organisationen und Fachleuten unterstützt.
Was sind die größten Hindernisse für die Klima- und Umweltpolitik in Ihrem Land? Wo liegen die Einfallstore für Korruption?
Zu den größten Herausforderungen Brasiliens zählen die Abhängigkeit der Wirtschaft von Landwirtschaft und Viehzucht — oft verbunden mit Entwaldung, Landraub, illegalem Holzeinschlag und Bränden, also Aktivitäten, die wiederum die Emissionen des Landes erhöhen — sowie anhaltende soziale Ungleichheiten, die negative Auswirkungen auf gefährdete Gemeinschaften verstärken. Ein wesentliches Hindernis ist die Vereinnahmung der politischen Entscheidungsfindung durch Interessengruppen, was die Durchsetzung von Vorschriften schwächt und Klimaschutz sowie Anpassungen an veränderte Klimabedingungen verzögert.
Korruption ermöglicht Umweltverbrechen im Amazonasgebiet, untergräbt Anpassungsbemühungen und setzt lokale Gemeinschaften größeren Risiken aus. Diese Korruption reicht von der politischen Finanzierung und unzulässiger Einflussnahme auf die Gesetzgebung bis hin zu Bestechung und Betrug bei Klimaprojekten. Dadurch werden Ressourcen umgeleitet und das Vertrauen der Öffentlichkeit untergraben, was die Fähigkeit Brasiliens beeinträchtigt, seine Klimaschutzverpflichtungen zu erfüllen.
Wie ist die aktuelle Situation der Umweltkriminalität in Brasilien?
Die organisierte Umweltkriminalität nimmt in Brasilien rapide zu, insbesondere im Amazonasgebiet, wo schlechte Regierungsführung, wenige nachhaltige Alternativen und eine begrenzte Strafverfolgung vorherrschen. Diese Verbrechen werden meist von ausgeklügelten Netzwerken begangen, die sich mit Landraub, betrügerischem Handel mit Emissionszertifikaten, illegalem Holzeinschlag und illegalem Viehhandel befassen — ermöglicht durch Korruption und Betrug bei Registrierungen.
Zu welchen Themen tauschen Sie sich mit anderen Transparency-Chaptern aus?
Unsere Zusammenarbeit konzentriert sich einerseits auf die gemeinsame Interessenvertretung und koordinierte Teilnahme an internationalen Foren wie COP30, G20 und OECD. Wir beteiligen uns an globalen Kampagnen zu politischer Integrität, Klimapolitik und zivilgesellschaftlichen Handlungsmöglichkeiten.
Besonders wichtig ist andererseits der Wissensaustausch, etwa zu politischer Integrität, Klimapolitik, grenzüberschreitender Umweltkriminalität und schrumpfendem zivilgesellschaftlichem Raum. Außerdem bauen wir auf Methoden aus dem gesamten Transparency-Netzwerk auf, etwa beim Schutz von Whistleblowern.
Fragen: Meike Krieger