Bindung von EU-Hilfen an Rechtsstaatlichkeit: Zivilgesellschaft wendet sich an Bundeskanzlerin Angela Merkel
Berlin, 03.12.2020
In einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel fordert Transparency Deutschland gemeinsam mit weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen, bei den Verhandlungen um den EU-Haushalt für die Jahre 2021 bis 2027 (MFR) und den europäischen Corona-Aufbaufond (RRF) an die Bindung von EU-Hilfen an Rechtsstaatlichkeit festzuhalten. Diese Verknüpfung ermöglicht es der EU, Empfängerländern bei Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit Gelder zu kürzen. Aktuell blockieren Polen und Ungarn die Verabschiedung des geplanten Haushalts durch ihre Vetorechte, da sie die entsprechende Klausel ablehnen.
In Ungarn untergräbt die Regierung zunehmend die Unabhängigkeit von Forschung und Lehre. Meinungs- und Pressefreiheit wurden weiter eingeschränkt und gefährden so die Wirksamkeit und Transparenz von EU-Mitteln. Darüber hinaus war Ungarn in den letzten zehn Jahren mehrfach in Korruptionsskandale in Verbindung mit EÚ-Mitteln verwickelt. In Polen bedrohen Regierungsreformen die Unabhängigkeit der Justiz. Außerdem gab es kürzlich erhebliche Einschränkung der Rechte der LGBTQ+ Community, sowie eine Verschärfung des Abtreibungsgesetztes. In Anbetracht dieser Entwicklungen würde die Vernachlässigung des Rechtsstaatsmechanismus den Eindruck erwecken, die EU toleriere die zunehmende Vernachlässigung der Rechtsstaatlichkeit.
Dass eine prinzipielle Reaktion der EU auf die jahrelange Abnahme der Rechtsstaatlichkeit in einigen EU-Mitgliedsstaaten ausgeblieben ist, liegt an dem mangelnden politischen Willen, diesen Verstößen Priorität einzuräumen. Die einzige richtige Antwort ist nun die klare Botschaft zu senden, dass die Achtung der Rechtsstaatlichkeit und weiterer zentraler Grundsätze der EU nicht verhandelbar sind.