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Global Corruption Barometer 2021

Der von Transparency International herausgegebene Global Corruption Barometer (GCB) 2021 basiert auf einer repräsentativen Umfrage in allen 27 EU-Mitgliedsstaaten. Die Studie untersucht unter anderem, wie korrupt einzelne Gesellschaftsbereiche wie Politik, Wirtschaft, Justiz und Zivilgesellschaft wahrgenommen werden, wie erfolgreich die jeweiligen Regierungen gegen Korruption vorgehen und wie viele Personen direkt mit Korruption zu tun haben.

Der Global Corruption Barometer 2021 beruht auf einer repräsentativen Umfrage, die telefonisch von Oktober bis Dezember 2020 durchgeführt wurde. Insgesamt wurden 40.600 Bürger*innen in den 27 EU-Mitgliedstaaten befragt, davon 4.801 Personen in Deutschland. Dies erfolgte im Auftrag von Transparency International durch das Marktforschungsunternehmen Kantar.

Hinweis: Transparency International gibt auch den Corruption Perceptions Index (CPI) heraus. Der CPI ist ein Metaindex, der Daten aus 13 Einzelindizes von 12 unabhängigen Institutionen zusammenfasst und auf der Befragung von Expert*innen sowie weiteren Untersuchungen beruht. Die Ergebnisse des aktuellen CPI, der im Januar 2021 erschienen ist, finden Sie hier.


Korruption auf Regierungsebene

Die Ergebnisse zeigen, dass rund ein Drittel der EU-Bürger*innen davon ausgeht, dass Korruption in ihrem Land zunimmt. Im europäischen Durchschnitt glauben erschreckende 62% der Befragten, dass Korruption in ihrer Regierung ein großes Problem darstelle. Am niedrigsten liegen die Zahlen in Dänemark (12%) und Finnland (16%), am höchsten in Bulgarien (90%) und Kroatien (92%). Fast die Hälfte der Befragten gibt an, ihre Regierung gehe nicht ausreichend gegen Korruption vor. Sieben Prozent erklären, in den vergangenen zwölf Monaten Bestechungsgelder gezahlt zu haben, um Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen wie Gesundheitsversorgung oder Bildung zu erhalten. Hochgerechnet entspricht dies europaweit rund 18 Millionen Menschen.


Die Situation in Deutschland

In Deutschland glauben 26,4% Prozent der Bürger*innen, dass das Ausmaß an Korruption in Deutschland im letzten Jahr zugenommen habe. 38,5% Prozent der Menschen finden, dass die Bundesregierung Korruption schlecht oder sehr schlecht bekämpfe. 3,2% der Befragten geben an, in den vergangenen zwölf Monaten für eine öffentliche Dienstleistung Bestechungsgeld gezahlt zu haben. 21,1% haben nach eigenen Angaben für den Erhalt einer öffentlichen Dienstleistung persönliche Beziehungen eingesetzt.

Zwar haben 79,1% der Befragten in Deutschland grundsätzlich Vertrauen in die Bundesregierung. Gleichzeitig halten 34,3% der Bürger*innen Korruption innerhalb der Bundesregierung für ein Problem. 61,6% der Befragten haben den Eindruck, dass die Bundesregierung weitgehend durch einige große Interessengruppen gesteuert wird, die nur ihre eigenen Interessen vertreten. Im europäischen Vergleich schneidet Deutschland mit diesem Ergebnis sehr schlecht ab und steht damit unweit von Schlusslicht Slowenien (70%).

Hartmut Bäumer, Vorsitzender von Transparency Deutschland, erklärt: „Das verdeutlicht einmal mehr: Nach diversen Lobbyskandalen wie Cum-Ex oder auch Wirecard ist das Vertrauen vieler Menschen in die Unabhängigkeit der Bundesregierung erschüttert. Dem muss die nächste Bundesregierung durch weitgehende Transparenz entgegentreten. Das Lobbyregister muss deutlich nachgebessert werden. Insbesondere brauchen wir den legislativen und exekutiven Fußabdruck, damit jeder nachvollziehen kann, wer wann wie genau an der Entstehung von Gesetzen beteiligt ist – gerade auch auf Fachebene in den Bundesministerien. Außerdem sollte der nächste Bundestag das Amt eines unabhängigen Lobbybeauftragten schaffen. Diese Person und ihre Mitarbeitenden wären damit beauftragt, die Angaben im Lobbyregister und bei Nebentätigkeiten von Abgeordneten zu überprüfen und der Öffentlichkeit regelmäßig darüber zu berichten.“

Lediglich 31% der Befragten in Deutschland haben das Gefühl, dass die Bundesregierung auf die Meinung von Bürger*innen hört, um Entscheidungen zu treffen. Damit liegt Deutschland zwar im europäischen Durchschnitt (31%), jedoch weit hinter Spitzenreiter Finnland (62%) und Irland (49%).


Vertrauen in Justiz und Polizei sehr hoch, in Wirtschaft hingegen gering

Das Vertrauen in die Justiz (85,8%, davon 49,1% großes Vertrauen) und die Polizei (90,7%, davon 54,2% großes Vertrauen) ist unter den Befragten sehr groß. Die Ansichten über die Wirtschaft sind hingegen alarmierend: 34,9% der Befragten denken, dass alle oder die meisten Führungskräfte der Wirtschaft in Korruption verwickelt sind. Nach Ansicht von 57,5% setzen Unternehmen Geld oder Beziehungen ein, um öffentliche Aufträge zu erhalten.

Dazu Hartmut Bäumer: „Bei vielen Menschen besteht der Eindruck, Unternehmen müssten nur groß und mächtig genug sein, um bei Vergehen keine Angst vor ernsthaften Konsequenzen haben zu müssen. Bisher gibt es in Deutschland in der Tat keine strafrechtliche Haftung für Unternehmen, es können lediglich Einzelpersonen für Verstöße gegen das Strafrecht verurteilt werden. Leider hat die Große Koalition das im Koalitionsvertrag vorgesehene Gesetz zur Unternehmenssanktionierung nicht verabschiedet. Das Gesetz hätte dazu geführt, angemessene Sanktionen und das Legalitätsprinzip einzuführen, damit es künftig nicht mehr im Ermessen der Staatsanwaltschaften liegt, ob bei Wirtschaftsstraftaten überhaupt Ermittlungen eingeleitet werden. Die nächste Bundesregierung muss hier unbedingt tätig werden.“

Mit Blick auf die Zivilgesellschaft denken mehr als 10 Prozent der Menschen, dass alle oder die meisten NGOs in Korruption verwickelt sind. Das zeigt, dass auch NGOs mehr Transparenz schaffen müssen. Transparency Deutschland hat zu diesem Zweck im Jahr 2010 die Initiative Transparente Zivilgesellschaft ins Leben gerufen, der sich seither rund 1.500 zivilgesellschaftliche Organisationen angeschlossen haben. Sie veröffentlichen freiwillig zentrale Informationen zu ihrer Finanzierung und ihren Aktivitäten.


Whistleblower: Angst vor Repressalien?

21% der Befragten in Deutschland geben an, dass Bürger*innen Repressalien befürchten müssen, wenn sie Fälle von Korruption melden. Obwohl Deutschland hinter Spitzenreiter Finnland (12%) liegt, schneidet Deutschland deutlich besser ab als der europäische Durchschnitt (45%) und insbesondere Länder wie Italien (58%) oder Schlusslicht Zypern (76%).

Deutschland muss bis Dezember 2021 die EU-Richtlinie zum Schutz von Hinweisgeber*innen umsetzen. Dazu hatte das SPD-geführte Bundesjustizministerium im Dezember 2020 einen Entwurf vorgelegt, der von der CDU/CSU jedoch abgelehnt worden ist. Damit wurde die Chance vertan, noch in dieser Legislaturperiode einen umfassenden Schutz für Whistleblower*innen gesetzlich zu verankern. Ein Vertragsverletzungsverfahren droht - und Hinweisgeber*innen stehen weiter im Regen.


Schnell an einen neuen Ausweis kommen - nur mit persönlichen Beziehungen möglich?

21,1% der Befragten in Deutschland haben nach eigenen Angaben für den Erhalt einer öffentlichen Dienstleistung persönliche Beziehungen eingesetzt. Trotz des alarmierenden Ergebnisses, steht Deutschland im europäischen Vergleich auf Rang 4 der Länder, in denen persönliche Beziehungen für den Erhalt einer Dienstleistung am wenigsten eingesetzt werden.

Europaweit sind es im Durchschnitt 33% der Befragten, was hochgerechnet rund 106 Millionen Menschen entspricht. In den Nachbarstaaten Frankreich (48%) und Tschechien (57%) sind die Ergebnisse weitaus besorgniserregenderer.